Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteil vom 4. Juli 2012 II R 15/11 entschieden, dass die vom Erben in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger zu leistende, noch vom Erblasser herrührende Einkommensteuer-Abschlusszahlung für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes abzugsfähig ist.
Im
Streitfall war die Klägerin neben ihrer Schwester Miterbin ihrer Eltern
geworden. Die Eltern waren beide kurz nacheinander im Kalenderjahr 2004
verstorben. Für den Einkommensteuer-Veranlagungszeitraum 2004 waren von
den Erbinnen als Gesamtrechtsnachfolger ihrer Eltern nach Anrechnung
der von den verstorbenen Eltern entrichteten Vorauszahlungen erhebliche
Nachzahlungen zu entrichten.
Nach
Ansicht des BFH gehören zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten
nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls
(Todeszeitpunkt) in der Person des Erblassers bereits rechtlich
entstanden waren, sondern auch solche Steuerverbindlichkeiten, die der
Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von
Steuertatbeständen begründet hat und die erst mit dem Ablauf des
Todesjahres entstehen. Dies gelte in Übereinstimmung mit der
zivilrechtliche Rechtsprechung, wonach sich aus dem Begriff "herrühren"
ergibt, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht
voll wirksam entstanden sein müssen. Entscheidend für den Abzug der
Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in
eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger
steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb "für den
Erblasser" als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.
Das
Urteil hat weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus praktische
Bedeutung. Durch den Abzug der Einkommensteuerschulden als
Nachlassverbindlichkeiten hat die Einkommensteuer für das Todesjahr
unmittelbare Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden
Erbschaftsteuer. Im Falle der Zusammenveranlagung von Eheleuten, von
denen ein Ehepartner im Laufe des Jahres verstirbt, ist, so der BFH,
entsprechend § 270 der Abgabenordnung zu ermitteln, inwieweit die
Einkommensteuernachzahlung auf den Erblasser, d.h. auf den
vorverstorbenen Ehegatten entfällt.
Pressemitteilung Nr. 60 vom 22. August 2012
Urteil vom 04.07.12 II R 15/11
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