Mittwoch, 29. Februar 2012

Bundesverfassungsgericht: Grundsätzlich keine Beratungshilfe für minderjährige Kinder in Bedarfsgemeinschaft ?

Nein ! 
 
Das ist eine Einzelfallentscheidung.
Ein Rechtsanwalt hatte bei einer fünfköpfigen Familie 
Mama, Papa und drei Kinder)für jedes Mitglied dieser 
Familie gesondert Beratungshilfe beantragt, 
d.h. 5 x Einzelberatungshilfe bei gleichgelagertem Sachverhalt. 
Das geht natürlich nicht.
 
In der Pressemitteilung heißt es: 
 
"...Die Notwendigkeit anwaltlicher Beratung kann allerdings nicht
stets und pauschal mit der Begründung verneint werden, einem anderen 
Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II sei Beratungshilfe 
für ein parallel gelagertes Verfahren bewilligt worden. Auch 
minderjährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft kann nicht 
generell mit dem Hinweis auf die gesetzliche Vertretung durch andere 
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Beratungshilfe versagt werden. 

Ist jedoch die Parallelität der Fallgestaltung offensichtlich und 
die in einem Fall erhaltene Beratung ohne Schwierigkeiten 
übertragbar, gebietet es das Grundrecht auf Rechtswahrnehmungs-
gleichheit nicht, Beratungshilfe in parallel gelagerten Fällen 
zu bewilligen. Aus der rechtlichen Beratung eines anderen Mitglieds 
der Bedarfsgemeinschaft lassen sich bei mehreren gleich gelagerten 
Fällen diejenigen Rechtskenntnisse ziehen, die eine sonst eventuell 
rechtlich anspruchsvolle Materie auch ohne juristische Vorbildung 
handhabbar machen können... 
  
Pressemitteilung Nr. 15/2012 vom 29. Februar 2012 mehr >>
Beschluss vom 8. Februar 
1 BvR 1120/11, 1 BvR 1121/11


Mehrarbeit - Vergütungserwartung

Bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung verpflichtet § 612 Abs. 1 BGB den Arbeitgeber, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt bezieht.

Der Kläger war als Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800,00 Euro bei der beklagten Spedition tätig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblichem Erfordernis sollte der Kläger ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt der Kläger Vergütung für 968 in den Jahren 2006 bis 2008 geleistete Überstunden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Der Senat hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte schuldet dem Kläger nach § 612 Abs. 1 BGB Überstundenvergütung. Angesichts der Höhe des vereinbarten Bruttoentgelts war die Leistung von Überstunden nur gegen eine zusätzliche Vergütung zu erwarten. Der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit war wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Der Arbeitsvertrag lässt aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Kläger für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er konnte bei Vertragsschluss nicht absehen, was auf ihn zukommen würde.
 

Pressemitteilung Nr. 16/12  mehr >>

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 5. Oktober 2010 - 6 Sa 63/10 -

Dienstag, 28. Februar 2012

Endlich ist es da: Das Video
















Details zum Video V 2012-360
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Titel: Aktuelle Fragen und Rechtsprechung zu Hartz IV und SGB II    
     
Autor: Vera Munz, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und Steuerrecht, Potsdam    
     
Inhalt: - Aktuelle Rechtsprechung SGB II
- Reform 2011
- Verfassungsmäßigkeit Regelbedarf
- Neue Mehrbedarfe
- Änderungen bei Einkommen, Kostenen der Unterkunft (KdU), Sanktion, Darlehen und § 44 SGB X
- 2012 Neu Globalantrag

 
     
Preis: Euro 49,00 zzgl. USt. und Euro 3,50 Versandkostenpauschale
 
 
Das Video kann hier >> bestellt werden.
 

Freitag, 24. Februar 2012

Datenschutz beim Bezug von Arbeitslosengeld II

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat am 25. Januar 2012 im Verfahren B 14 AS 65/11 R fest­gestellt, dass das beklagte Jobcenter durch sein Schreiben an den Haus- und Grundbesitzerverein E. sowie durch seine Telefongespräche mit diesem und mit dem Ehemann der früheren Vermieterin der Kläger unbefugt Sozialgeheimnisse der Kläger offenbart hat, indem er den Leistungsbezug der Kläger mitgeteilt hat. Nach den auch für das SGB II geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt er­hoben, verarbeitet oder genutzt werden. Der Beklagte kann das Offenbaren der Sozialdaten hier nicht damit rechtfertigen, dass dies erforderlich gewesen sei, um die eigenen Aufgaben zu erfüllen. Er musste in jedem Fall die schutzwürdigen Interessen der Kläger beachten und hätte deshalb vor einer Kontaktaufnahme mit Dritten zunächst das Einverständnis der Kläger einholen müssen.

BSG  Medieninformation Nr. 2/12   25.02.2012 mehr >>
Az.: B 14 AS 65/11 R                          1. A.P., 2. I.P.  ./.  Jobcenter Breisgau-Hochschwarzwald

Vorzeitige Beendigung eines im Blockmodell geführten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses - Ausgleichszahlungen für in der Arbeitsphase erbrachte Vorleistungen

BUNDESFINANZHOF (BFH) Beschluss vom 15.12.2011, VI R 26/11
Leitsätze
1. Wird ein im Blockmodell geführtes Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit beendet und erhält der Arbeitnehmer für seine in der Arbeitsphase erbrachten Vorleistungen Ausgleichszahlungen, stellen diese Ausgleichszahlungen Arbeitslohn dar.
2. Solche Ausgleichszahlungen sind sonstige Bezüge i.S. des § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG, so dass sie nach dem Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu erfassen sind.


Kommentar Rechtsanwältin Munz:
Das Finanzgericht hatte die Frage, in welchem Veranlagungszeitraum Zahlungen im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung eines Blockmodells der Altersteilzeit als Lohn zu erfassen sind, streng nach dem Zuflußprinzip mit einer Versteuerung der Ausgleichszahlungen erst im Zuflußjahr und nicht als laufenden Arbeitslohn über die gesamte Arbeitszeit gestreckt entschieden. Dies wurde mit der Entscheidung des BFH bestätigt: Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Auszahlung des Wertguthabens kein laufender Arbeitslohn und dem Kläger nicht im Streitjahr zugeflossen ist. Die Ausgleichszahlung als nicht regelmäßig geleisteter Arbeitslohn stellt einen sonstigen Bezug dar, auf den die Regelungen des § 11 EStG Anwendung finden. Wesentlich ist, daß der Arbeitnehmer eine Vorleistung erbringt, die ihm einen Anspruch auf spätere Zahlung der Bezüge und Freistellung gibt. Bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitszeitblockmodells ist diese Vorleistung abzugelten. Der Anspruch auf die Abgeltungzahlung ergibt sich nur aus der vorzeitigen Beendigung des Arbeitzeitmodells und stellt gerade kein Entgelt für laufende regelmäßige Arbeitsleistung, d.h. keinen Arbeitslohn dar.Damit verbleibt es bei der steuerlichen Erfassung nach dem Zuflußprinzip.

Quelle: BUNDESFINANZHOF (BFH) Beschluss vom 15.12.2011, VI R 26/11 mehr >>
juris.bundesfinanzhof.de

Mittwoch, 22. Februar 2012

Arbeitszeitgesetz gilt auch für Pflegepersonal in Privathaushalten


Arbeit und Soziales/Antwort
Berlin: (hib/CHE) Auch für ausländische Pflegekräfte, die in Privathaushalten arbeiten, gilt das Arbeitszeitgesetz (AZG). Das betont die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/8373) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/8193). Demnach gelten auch für im Rahmen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) entsandtes Pflegepersonal die im AZG vorgesehenen Höchstarbeitszeiten, Mindestruhepausen und Mindestruhezeiten. Insbesondere dürfe die werktägliche Arbeitszeit im Durschnitt acht Stunden nicht überschreiten, schreibt die Regierung weiter. Die Ruhezeit zwischen dem Ende einer Arbeitszeit und dem Beginn der darauffolgenden müsse mindestens elf ununterbrochene Stunden betragen.
Aus der Antwort geht außerdem hervor, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung die Einhaltung der zwingenden Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche auf Grundlage des AEntG prüfen kann. Zwar träfe es zu, dass die Beamten nur mit Einverständnis des Wohnungsinhabers Prüfungen in dessen Wohnung durchführen können. Wenn jedoch ausreichende Verdachtsmomente für einen Straftatbestand oder eine Ordnungswidrigkeit vorlägen, könne die Prüfung auch ohne dessen Einverständnis erfolgen, heißt es in dem Schreiben.

hib Nr. 082 vom 13.02.2012

Entschädigung wegen der Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers

Ein öffentlicher Arbeitgeber hat nach § 82 Satz 2 SGB IX einen schwerbehinderten Menschen, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle unter Mitteilung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beworben hat, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, diesem fehlt offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Eine unterbliebene Einladung ist ein Indiz für die Vermutung, der Bewerber sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Diese Vermutung kann der öffentliche Arbeitgeber durch den Beweis widerlegen, dass für die Nichteinladung nur solche Gründe vorgelegen haben, welche nicht die fehlende Eignung des Bewerbers oder dessen Schwerbehinderung betreffen.
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich bei der Beklagten auf eine Ausschreibung der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main als „Pförtner/Wächter“ beworben. In seiner Bewerbung hatte er auf seinen GdB von 60 hingewiesen. Bei der Beklagten besteht eine Rahmenvereinbarung zur Integration Schwerbehinderter. Nach dieser Integrationsvereinbarung kann von einer Einladung schwerbehinderter Bewerber zum Auswahlverfahren abgesehen werden, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Die Bundespolizeidirektion sah im Einvernehmen mit den zu beteiligenden Stellen von einer Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch ab. Dieser sieht sich durch diese Nichteinladung wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von 5.723,28 Euro.
Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von 2.700,00 Euro verurteilt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Die Bundespolizeidirektion hätte den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil durch die Integrationsvereinbarung das Recht des schwerbehinderten Bewerbers auf ein Vorstellungsgespräch nicht eingeschränkt werden sollte. Deshalb besteht die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht durch Tatsachen widerlegt, die keinen Bezug zur Schwerbehinderung des Klägers und zu dessen fachlicher Eignung haben. Nur auf solche hätte sich die Beklagte mit Erfolg berufen können, weil § 82 Satz 3 SGB IX hinsichtlich der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch abschließenden Charakter hat. Die gegen die Höhe der ausgeurteilten Entschädigung gerichtete Revision des Klägers hat der Senat aus formalen Gründen als unzulässig verworfen.
 

BAG Pressemitteilung Nr. 13/12 mehr >>

 
Bundesarbeitsgericht, Urteil 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Oktober 2010 - 13 Sa 488/10 -

Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen.
Der mit einem GdB von 60 schwerbehinderte Kläger stand seit dem 1. November 2007 in einem bis zum 31. Oktober 2009 befristeten Arbeitsverhältnis. Am 8. Januar 2009 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Arbeitgeberin bestellt. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbat der Beklagte in einem Fragebogen zur Vervollständigung bzw. Überprüfung der ihm vorliegenden Daten ua. Angaben zum Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Der Kläger verneinte seine Schwerbehinderung. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Beklagte als Insolvenzverwalter am 26. Mai 2009 dem Kläger zum 30. Juni 2009.
Der Kläger, der in der Klageschrift vom 9. Juni 2009 seine Schwerbehinderung mitgeteilt hat, hält die Kündigung vom 26. Mai 2009 für unwirksam, weil das Integrati onsamt ihr nicht zugestimmt habe. Das Arbeitsgericht ist dem gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dagegen angenommen, der Kläger könne sich auf den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte nicht berufen, weil er die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint habe.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung steht im Zusammenhang mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers durch die Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt, sowie durch den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Sie soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten. Die Frage diskriminiert behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange stehen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen. Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.
 

BAG Pressemitteilung Nr. 12/12

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 -  mehr >>
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 Sa 49/10 -