Freitag, 31. August 2012

Ehrenamt und Arbeitnehmerstatus


Durch die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Das hat das Bundesarbeitsgericht heute entschieden.

Der Beklagte des entschiedenen Falles ist Träger einer örtlichen Telefonseelsorge. Zu diesem Zweck unterhält er Räumlichkeiten, in denen ein hauptamtlicher und rund fünfzig ehrenamtliche Mitarbeiter den Seelsorgedienst verrichten. Nach der Dienstordnung für die ehrenamtlichen Kräfte wird deren regelmäßige Beteiligung erwartet. Jeweils im Vormonat legt der Beklagte Dienstpläne für den Folgemonat aus, in die sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter eintragen. Die Klägerin war auf der Grundlage von schriftlichen „Beauftragungen“ seit dem 26. April 2002 als ehrenamtliche Telefonseelsorgerin unentgeltlich im Umfang von zehn Stunden im Monat für den Beklagten tätig. Die Klägerin erhielt lediglich einen Unkostenersatz von 30,00 Euro monatlich. Am 22. Januar 2010 wurde die Klägerin mündlich von ihrem Dienst entbunden.

Die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage blieb vor dem Bundesarbeitsgericht - wie schon in den Vorinstanzen - erfolglos. Zwischen den Parteien bestand kein Arbeitsverhältnis. Die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit von Dienstleistungen ist - bis zur Grenze des Missbrauchs - rechtlich zulässig, wenn eine Vergütung, wie bei ehrenamtlicher Tätigkeit, nicht zu erwarten ist. Die Ausübung von Ehrenämtern dient nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz. Sie ist Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen. Im Streitfall besteht kein Anhaltspunkt für die Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften.
 
 
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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. August 2012 - 10 AZR 499/11 -
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht Urteil vom 20. Mai 2011 - 3 Sa 579/10 -

Mittwoch, 29. August 2012

Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger mit humanitären Aufenthaltstiteln vom Bundeserziehungsgeld und vom Bundeselterngeld verfassungswidrig

Nach dem bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Bundeserziehungsgeldgesetz 
in der hier maßgeblichen Fassung von 2006 (BErzGG) und dem am 1. Januar 
2007 in Kraft getretenen Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) 
ist die Gewährung von Erziehungs- bzw. Elterngeld an ausländische 
Staatsangehörige davon abhängig, über welche Art von Aufenthaltstiteln 
die Betroffenen verfügen (§ 1 Abs. 6 BErzGG und § 1 Abs. 7 BEEG). Die 
zum unbefristeten Aufenthalt berechtigende Niederlassungserlaubnis führt 
immer zur Anspruchsberechtigung. Hingegen sind die Inhaber einer 
befristeten Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich nur dann 
anspruchsberechtigt, wenn die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer 
Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat. Vom Anspruch auf 
Erziehungs- oder Elterngeld auch dann grundsätzlich ausgenommen sind 
allerdings ausländische Staatsangehörige, denen der Aufenthalt aus 
völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt ist. Für 
die Inhaber solcher humanitärer Aufenthaltserlaubnisse gilt jedoch eine 
Rückausnahmeregelung, wonach sie dann einen Anspruch auf Erziehungs- 
oder Elterngeld haben, wenn sie sich seit mindestens drei Jahren 
rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und eines der in § 1 Abs. 6 Nr. 3b 
BErzGG bzw. § 1 Abs. 7 Nr. 3b BEEG genannten Merkmale der 
Arbeitsmarktintegration erfüllen, das heißt im Bezugszeitraum entweder 
im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sind, Arbeitslosengeld I 
beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen.  
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die vorgelegten 
Vorschriften wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus 
Art. 3 Abs. 1 GG und gegen das Verbot der geschlechtsbezogenen 
Diskriminierung aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG für nichtig erklärt. 

Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -

Pressemitteilung Nr. 65/2012 vom 29. August 2012
Beschluss vom 10. Juli 2012
1 BvL 1/10, 1 BvL 3/10, 1 BvL 4/10, 1 BvL 3/11

Freitag, 24. August 2012

Vom Erblasser herrührende Steuerschulden für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten


Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteil vom 4. Juli 2012 II R 15/11 entschieden, dass die vom Erben in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger zu leistende, noch vom Erblasser herrührende Einkommensteuer-Abschlusszahlung für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes abzugsfähig ist.
Im Streitfall war die Klägerin neben ihrer Schwester Miterbin ihrer Eltern geworden. Die Eltern waren beide kurz nacheinander im Kalenderjahr 2004 verstorben. Für den Einkommensteuer-Veranlagungszeitraum 2004 waren von den Erbinnen als Gesamtrechtsnachfolger ihrer Eltern nach Anrechnung der von den verstorbenen Eltern entrichteten Vorauszahlungen erhebliche Nachzahlungen zu entrichten.

Nach Ansicht des BFH gehören zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls (Todeszeitpunkt) in der Person des Erblassers bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch solche Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die erst mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen. Dies gelte in Übereinstimmung mit der zivilrechtliche Rechtsprechung, wonach sich aus dem Begriff "herrühren" ergibt, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb "für den Erblasser" als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.

Das Urteil hat weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus praktische Bedeutung. Durch den Abzug der Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten hat die Einkommensteuer für das Todesjahr unmittelbare Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Erbschaftsteuer. Im Falle der Zusammenveranlagung von Eheleuten, von denen ein Ehepartner im Laufe des Jahres verstirbt, ist, so der BFH, entsprechend § 270 der Abgabenordnung zu ermitteln, inwieweit die Einkommensteuernachzahlung auf den Erblasser, d.h. auf den vorverstorbenen Ehegatten entfällt.

Pressemitteilung Nr. 60 vom 22. August 2012

Urteil vom 04.07.12 II R 15/11


Bundesfinanzhof
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„Praxisgebühr“ nicht als Sonderausgabe abziehbar


Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18. Juli 2012 X R 41/11 entschieden, dass die Zuzahlungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 28 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch, die sog. „Praxisgebühren“, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können.

Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Steuerpflichtige "Beiträge zu Krankenversicherungen" als Sonderausgaben abziehen. Darunter fallen jedoch nur solche Ausgaben, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen, also letztlich der Vorsorge dienen.

Bei der „Praxisgebühr“ ist dies nicht der Fall, da der Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig von der Zahlung der „Praxisgebühr“ gewährt wird. Sie stellt vielmehr eine Form der Selbstbeteiligung der Versicherten an ihren Krankheitskosten dar.

Ob „Praxisgebühren“ als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG in Form von Krankheitskosten geltend gemacht werden können, konnte der BFH offenlassen. Im Streitfall wurde die dem Kläger zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) nicht erreicht. Die Zahlungen hätten sich schon aus diesem Grund bei ihm steuerlich nicht auswirken können.

Pressemitteilung Nr. 58 vom 22. August 2012

Urteil vom 18.07.12   X R 41/11

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Montag, 13. August 2012

Gesetzentwurf zur Stärkung der Betreuungsbehörden


Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde vorgestellt.

Die Gesetzesinitiative geht auf die Empfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht zurück. Ziel der Neuregelung ist es, "der steigenden Zahl von Betreuungen durch die Sta
̈rkung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der praktischen Anwendung zu begegnen."

Umgesetzt werden soll dies durch die obligatorische Sachverhaltsaufklärung und Anhörung der Betreuungsbehörde vor Betreuerbestellung bzw. Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in Form eines Berichts an das Betreuungsgericht.

Die Betreuungsbehörde soll Betroffene außerdem zu anderen Hilfen beraten bei denen kein Betreuer bestellt werden muss und diese Hilfen gegebenenfalls auch vermitteln.
 Hier gehts zum Referentenentwurf


Quelle: BtPrax newsletter August 2012
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Donnerstag, 2. August 2012

Assistenzpflege in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen

Das Bundeskabinett hat am 01.08.2012 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen beschlossen.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr zeigte sich zufrieden: „Der beschlossene Gesetzentwurf ist ein richtiger und konsequenter Schritt hin zur Verbesserung der Situation pflegebedürftiger behinderter Menschen, die auf eine kontinuierliche Pflege durch von ihnen im Arbeitgebermodell beschäftigte besondere Pflegekräfte angewiesen sind.“

Der Gesetzentwurf knüpft an das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30. Juli 2009 an. Im Jahr 2009 wurde gesetzlich verankert, dass pflegebedürftige behinderte Menschen bei stationärer Krankenhausbehandlung ihre Assistenzpflege weiter in Anspruch nehmen können. Neben dem Anspruch auf Mitaufnahme der Assistenzpflegeperson in die Einrichtung erhalten sie danach für die gesamte Dauer der stationären Krankenhausbehandlung weiterhin das Pflegegeld sowie die Hilfe zur Pflege durch die Sozialhilfe. Damit wird der besonderen Situation behinderter pflegebedürftiger Menschen Rechnung getragen, die neben der
medizin-pflegerischen Versorgung weitere Hilfestellungen durch ihre Assistenzpflege benötigen. Der heute beschlossene Gesetzentwurf greift die grundlegende Zielrichtung dieses Gesetzes auf und erstreckt dessen Maßnahmen auch auf die stationäre Behandlung in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen.

Die Regelungen gelten für pflegebedürftige behinderte Menschen, die ihre Pflege durch von ihnen selbst beschäftigte besondere Pflegekräfte nach den Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch im Arbeitgebermodell sicherstellen.
Den Gesetzesentwurf finden Sie hier.

Quelle: BMG Pressemitteilung vom 01.08.2012 mehr>>